Aktionstag Second Victim 2023

Der heurige Aktionstag Second Victim, der zum zweiten Mal von den Kooperationspartner:innen MedUni Wien, Plattform Patient:innensicherheit, Wiener Gesundheitsverbund und dem Verein Second Victim organisiert und durchgeführt wurde, stand dieses Jahr unter dem Motto Stärkung der Resilienz von Behandelnden zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens. Im Van-Swieten-Saal der MedUni Wien beleuchteten nicht nur zahlreiche Keynote Speaker die Situation für Mitarbeiter:innen aus dem Gesundheitswesen aus verschiedenen Blickwinkeln und deren Auswirkungen auf den Arbeitsplatz, sondern wurden dem interessierten Publikum von Second Victims auch sehr berührende Erzählungen aus der Praxis präsentiert.

Folgende Erkenntnisse lassen sich schon vorwegnehmen:

  • Langsam, aber immerhin, kennen immer mehr Mitarbeiter:innen im Gesundheitsbereich das Second Victim Phänomen (SVP)
  • Leider eine immer noch erschreckend hohe Prozentzahl wird zu SVP-Betroffenen
  • Kollegiale Hilfe/ Peer Modelle sind wertvolles Mittel erster Wahl in der Akutintervention
  • Mitarbeiter:innensicherheit ist Patient:innensicherheit!
  • Es braucht einen Paradigmenwechsel weg von der Fehlerkultur hin zu einer Sicherheitskultur

Zuvor betonten Gastgeber und Rektor der MedUni Wien, Prof. Dr. Markus Müller, und nach ihm der Medizinische Direktor des WIGEV, Dr. Michael Binder, beide in ihren Eingangsstatements neben der Patient:innensicherheit auch die Wichtigkeit der psychischen und physischen Gesundheit von behandelndem und pflegenden Personal als Voraussetzung dafür, dass Patient:innen bestmöglich versorgt werden können.

Das weitere Programm spannte einen breiten Bogen von aktuellen Forschungsergebnissen über best practice-Beispielen aus dem In- und Ausland hin zu hilfreichen Tools für den Arbeitsalltag:

Prof. Reinhard Strametz, Hochschule RheinMain, referierte über das Second Victim Phänomen und erinnerte daran, dass Second Victims Hilfe bräuchten und nicht Bestrafung. Seine Studien belegen, dass medizinisches Fachpersonal langsam besser um das Second Victim Phänomen Bescheid weiß, es allerdings immer noch ein viel zu hoher Prozentsatz an Menschen in der Patient:innenbehandlung ist, die als Second Victim zu bezeichnen sind, es selbst aber nicht wissen, weil sie den Begriff Second Victim nicht kennen. Bei einer vom Verein Second Victim und in Zusammenarbeit mit der Hochschule RheinMain durchgeführten Studie unter österreichischen Kinderärzt:innen wurde die Befragungsphase gerade beendet und soll nun mit der Auswertung begonnen werden. Hannah Rösner und Victoria Klemm, beide Mitarbeiterinnen von Prof. Strametz, Hochschule RheinMain, präsentierten erste Tendenzen von den zu erwartenden Ergebnissen.

Mag. Dr. Elisabeth Krommer, präsentierte KoHi, das mittlerweile etablierte Peer-System in der Klinik Hietzing und Dr. Stefanie Tichy stellte How to Peer, das Peer-System an der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien/ AKH Wien vor.
Einen Überblick über das kostenlose und vertrauliche Angebot der Psychologischen Beratungsstelle des Wiener Gesundheitsverbunds gab Elisabeth Gerlich-Kretzer, selbst Klinische und Gesundheitspsychologin. Und von Andreas Igl, Geschäftsführer des Vereins PSU-akut e.V. mit Sitz in München (und ein bisschen das, schon früher (2013) gegründete, deutsche Pendant zum Verein Second Victim), erfuhr das Publikum vom breiten, etablierten Angebot der Psychosozialen Unterstützung (PSU) für medizinisches Personal in besonderen Belastungssituationen.

Weitere interessante Vorträge hielten Dr. Ulrich Wanderer, Mediator, zum Thema Konfliktmanagement und Dr. Michael Halmich vom Forum Gesundheitsrecht mit einem Überblick zum rechtlichen Rahmen für Second Victims. Dr. Karl Schebesta von der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien/ AKH Wien stellte das Angebot verschiedener Simulationstrainings für Mitarbeiter:innen und Studierende vor.

Mit einem schönen Satz ließ Friederike Skopek-Johnson, akad. Health-Care-Managerin, in ihrem Vortrag Die Sicht der Pflege zwischen Überforderung und der Suche nach Lösungen aufhorchen: „Pfleger:innen sind Wächter der Würde.“

Eva Potura wiederum ließ die Teilnehmer:innen des Aktionstages mittels Abfragen in Mentimeter in Stereotype-Fallen tappen und klärte mit interessanten Zusammenhängen zum Second Victim-Phänomen auf. Sehr berührend waren der Erfahrungsbericht einer Notärztin, die ihren Fall eines traumatisierenden Einsatzes sehr eindrücklich erzählte und die Lesung zweier Geschichten einer Ärztin und einer Pflegerin aus dem Buch „Der Fehler, der mein Leben veränderte“ von Gina Buchner, vorgetragen vom österreichischen international renommierten Konzert- und Opernsänger Günter Haumer.

Mit einer Podiumsdiskussion, an der Elisabeth Potzmann (ÖGKV), Barbara Sitter (Verein Second Victim), Brigitte Ettl (Österreichische Plattform Patient:innensicherheit), Christina Wagner (MTD-Austria), Michael Binder (Wiener Gesundheitsverbund) und Gerry Foitik (Rotes Kreuz Österreich) unter der wie immer ausgezeichneten Moderation von Gudrun Steininger, selbst Angestellte im Wiener Gesundheitsverbund, teilnahmen, endete der zweite Aktionstag zum Thema Second Victim.

Dem Verein Second Victim bleibt sich auf das herzlichste zu bedanken bei der Gastgeberin MedUni Wien, dass wir kostenlos den wunderschönen Van Swieten Saal nutzen durften und bei der Plattform Patient:innensicherheit, allen voran Dr. Brigitte Ettl, deren anerkennende Erwähnung der guten Zusammenarbeit, die unsere beiden Organisationen pflegen, wir nur zurück geben können! Wir greifen ihren Gedanken der Institutionalisierung des jährlich stattfindenden gemeinsamen Aktionstages Second Victim gerne auf und freuen uns auf das nächste Mal im Jahr 2024!

Der Aktionstag Second Victim 2023 wurde gefördert vom Fonds Gesundes Österreich

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