Aktionstag 2nd Victim 2024

„Help me, Help you!“


Unter diesem Motto fand am 21.5.2024 der Aktionstag Second Victim im Van-Swieten Saal der MedUni Wien statt. Ein an wegweisenden Erkenntnissen und bedrückenden Berichten aus der Praxis reichhaltiges und informationsreiches Programm machte die Veranstaltung zu einem erfolgreichen Event (Copyright: MedUni Wien/Harson).


Das Second Victim Phänomen betrifft uns alle !

Die einleitenden Worte des Aktionstages steuerte Dr. Michael Binder vom Wiener Gesundheitsverbund bei, in denen er die Wichtigkeit der wissenschaftlichen und sozialen Arbeit zur Bekämpfung des Second Victim Phänomens betonte.


„Never Give Up!“


Den Start der Vortragsserie machte Andrea Berthold mit einem Erlebnisbericht zu ihrer eigenen Second Victim Erfahrung. Eine berührende Erzählung, die die Missstände in der Behandlung von Menschen mit auftretender Second Victim-Symptomatik aufzeigte. Blame Culture, fehlende Fehlerkultur, nicht vorhandene Hilfsstrukturen und der Wert von professioneller Unterstützung waren Kern des Berichts von Andrea. Sie erzählte, ohne Schnörkel, wie ihre Second Victim Erfahrung sie, nach 35 Jahren aufopfernder Arbeit im Gesundheitsbereich, beinahe zur Beendigung ihrer Tätigkeit gebracht hätte. Sie berichtete über die Selbstzweifel, die nach dem auslösenden Vorfall ihre Psyche belasteten und das fehlende Selbstvertrauen bei ihrer Arbeit, etwas das es beinahe verunmöglichte, dass sie weiterhin als Teil des österreichischen Gesundheitssystem Hilfe leistete. Sie schloss ihre Erzählung jedoch mit einem positivem Ausblick ab. Ihr konnte, durch die professionelle Hilfe von Peers und vorhandenen Beratungsorganisationen, die Fortsetzung ihres Berufs ermöglicht werden. Ihr Erfahrungen und Erkenntnisse machen Andrea zu einer inspirierenden Kämpferin für die Verbesserung der Arbeitsumwelten in der medizinischen Betreuung in Österreich. Danke, Andrea, für deine Worte!


„Second Victim-Prävention zahlt sich aus“

Präventive Arbeit im Bereich Peer Support und eine Implementierung von Hilfsstrukturen rechnen sich für Gesundheitseinrichtungen. Dies berichteten Prof. Dr. Reinhard Strametz und Dr. Jose Mira in deren Funktion als Chairman und Vice Chairman der European Researchers‘ Network (ERNST) Working on Second Victim.

Sie konnten zum Einsparungspotential für medizinische Einrichtung Zahlen, Daten und Fakten aus ihrer Forschung liefern und Handlungsempfehlungen geben, wie die Implementierung von Hilfsstrukturen, inklusive einem Commitment der Einrichtungsleitung, ablaufen sollten. Ein lehrreicher Appell an die politische und medizinische Führung in Europa zum Wandel.


„The Question ist not IF but WHEN!“

Diese geflügelten Worte passen wohl am besten zu den Ergebnissen, die Hannah Rösner und Victoria Klemm vom Wiesbaden Institute for Healthcare Economics and Patient Safety (WiHelP) bei ihrem Beitrag zum Aktionstag präsentieren konnten. Die Studien SeViD A1 und A2, die der Verein Second Victim unter Kinderärzt:innen und Pfleger:innen durchgeführt habt, zeigen eine erschreckend hohe Prävalenz von bis zu 90 Prozent Betroffener. Die gewonnenen Erkenntnisse zeigen den unbedingten Bedarf von Hilfsstrukturen in Gesundheitseinrichtungen und deren langfristigen Nutzen.

Das wohl überraschendste Ergebnis ihrer Arbeit ist der Einfluss der Covid Pandemie auf die Anzahl von Second Victims. Das, durch die Pandemie gesteigerte, Belastungsniveau für Mitarbeiter:innen im Gesundheitssystem in Österreich hatte dabei keine erkennbare Auswirkung. Die Zahlen blieben gleichbleibend hoch und lassen damit den Schluss zu, dass auch schon vor und nach der Pandemie ein dringender Bedarf für Hilfsstrukturen notwendig sind.


Auch Hebammen kämpfen mit dem Second Victim Phänomen

Anschließend an die Ausführungen zu den ersten SeViD Studien konnte Sabine Fürst als Mitglied des Vereins erste Einblicke in die – noch nicht veröffentlichte – dritte Ausführung der Erhebung präsentieren. Auch bei dieser Version der Studie hinterlassen die empirischen Zahlen der Rohdaten tiefe Eindrücke. Vor allem der Missstand der Blame Culture im Gesundheitswesen nahm in den Erkenntnissen aus der Forschung einen zentralen Themenschwerpunkt ein. Fazit aus den Ausführungen von Sabine Fürst muss sein, dass sich hier eine spürbare Veränderung für die Helfer:innen im Gesundheitssystem ergeben muss, um dramatische Zahlen von Berufsaussteiger:innen zu verhindern.


Peer Strukturen weisen erste Erfolge auf – KoHi in der Klinik Hietzing

Kollegiale Hilfe war das zentrale Thema das Elisabeth Krommer aus der Klinik Hietzing präsentieren konnte. Dieses, mit dem Kürzel KoHi geführte, Programm innerhalb der Klinik zeigt den greifbaren Erfolg implementierter Peer Support Systeme, sowie das daraus entstehende Chancenpotential. Zusätzlich machten die Ausführungen von Frau Krommer klar an welchen Schlüsselpunkten qualitative Bewertungsstrukturen einzuführen sind, um den bestmöglichen Erfolg solcher Projekte zu gewähren und nachhaltigen Erfolg zu ermöglichen. Gesamthaft ein wichtiger Einblick in die Realitäten von Peer Strukturen im Alltag.


Die rechtliche Situation beim Thema Second Victim

Nach der Pause konnte Prof. Dr. Andreas Pitz einen erfolgreichen und eindrucksvollen Perspektivenwechsel vollziehen und einen Überblick über die rechtliche Situation für von Second Victim Symptomatik betroffenen Personen geben. Er zeigte dabei klar die Grenzen des Rechtsystems und die Schwierigkeiten auf die Second Victims bei deren Kampf um Anerkennung oftmals treffen. Diesen oft sehr nüchternen Bestandaufnahmen, konnte allerdings eine potentielle Verbesserung gegenübergestellt werden und Dr. Pitz konnte wichtige Empfehlungen aussprechen, um den rechtlichen Kampf für Second Victims erfolgreicher zu gestalten.


Prävention und Vorbereitung sind die halbe Miete

Einen pragmatischen Ansatz zur Stressbewältigung, als primärer Treiber von Second Victim Symptomatik, konnte mit Patrick Mocker ein weiteres Vereinsmitglied bieten. Der ausgebildete und erfahrene Stresstrainer konnte aus seiner Zeit bei der Einsatzgruppe COBRA wichtige Lehren zu praktikablem Anti-Stress-Training präsentieren und den Anwesenden den unerlässlichen Wert einer passenden Vorbereitung veranschaulichen. Mit einem beeindruckenden Grad an Expertise, sowie einem hohen Maß an Empathie konnte Patrick dabei wichtige Kerninhalte einer effektiven Prävention darlegen.


Psychosoziale Unterstützung im Rettungsdienst

Die Vortragsreihe des Aktionstages konnte Ulrich Schreiner von der Björn Steiger Stiftung abschließen. Er konnte am Beispiel des deutschen Rettungsdienstes zeigen, welche Hürden bei der Implementierung von Supportstrukturen bestehen können und welche Vorteile ein proaktives Handeln trotzdem hervorruft. Die zugehörige Lernplattform 8sam.de zur Björn Steiger Stiftung bietet zusätzlich die Möglichkeit zur präventiven Arbeit. Mit diesem praktischem Teil zum Ende der Vorträge ging das Programm des Aktionstages in eine Diskussionsrunde über.


Second Victim – Was ist zu tun ?

Den krönenden Abschluss des Aktionstag bot eine Expertinnenrunde zusammengesetzt aus Katharina Butschek vom Wiener Gesundheitsverbund, Monika Stickler vom Österreichischen Roten Kreuz, Barbara Sitter vom Verein Second Victim, Christina Wagner von MTD Austria und Brigitte Ettl, Präsidentin der Österreichischen Plattform Patient:innensicherheit. Hier wurden Erfahrungen und Erkenntnisse zur Verbesserung der Arbeitsumwelten für Second Victims besprochen. Zusätzlich konnten ein Ausblick auf die Ansprüche gegeben werden, die eine strukturelle Veränderung benötigt, sowie mögliche Knackpunkte besprochen werden, an der eine Verbesserung scheitern kann.


Es gibt viel zu tun! Zusammen schaffen wir das!

Die enorm wichtige Diskussionsrunde und die abschließenden Worte von Vereinsgründerin Dr. Eva Potura und Dr. Brigitte Ettl boten ein perfektes Ende für das Programm des Aktionstages. Als Verein Second Victim wollen wir uns bei allen Teilnehmer:innen für deren Beitrag zu diesem so wichtigen Event bedanken und freuen uns jetzt schon die Früchte der Arbeit beim vierten Aktionstag des Vereins 2025 besprechen zu dürfen. Bis bald!

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